Position
Berlin – 29. März 2019
Im Überdruss der Grokos hat die Politik im öffentlichen Ansehen schwer abgebaut: zu vage, zu unentschlossen, zu wenig qualifiziert – mit populistischen Neigungen und Wohltaten für die jeweilige Wähler-Klientel. Es gibt Ausnahmen. Regine Günther zum Beispiel, parteilose Verkehrssenatorin für die Grünen in der rot-rot-grünen Berliner Landesregierung.
Mit diesem Satz brachte sie Politik und Presse auf die Barrikaden: „Wir möchten, dass die Menschen ihr Auto abschaffen.“ Auf einer Veranstaltung der CDU-Mittelstandsvereinigung sagte sie weiter: „Das alte Mobilitätskonzept der autogerechten Stadt stößt an seine Grenzen.“ Ein Wendepunkt sei erreicht. Endlich mal eine Politikerin mit klarer Kante. Möge sie der Mut nicht verlassen!
Wie das so ist mit unserer Öffentlichkeit: Der Aufruhr folgten Rede und Gegenrede. Frau Günther dachte nicht daran, ihre Aussagen zu relativieren. In einem Gastbeitrag für den Berliner „Tagesspiegel” wurde sie noch deutlicher: Urbanisierung, Digitalisierung, Dekarbonisierung – das seien die drei „Megatrends” der Verkehrspolitik. Dafür brauche es eine neue Mobilität mit dem ÖPNV als Rückgrat, digital vernetzt mit Fahrrad und Elektroautos.
Wenn Berlins Senat jetzt – wie im Nahverkehrsplan angekündigt – in den nächsten 15 Jahren 28 Milliarden Euro für Busse und Bahnen ausgeben will, dann könnte die oft belächelte und bekrittelte Bundeshauptstadt einer der Vorreiter in Sachen Verkehrswende werden.
Über Parkplatz-Not zur Verkehrswende
Verkehrswende-Vorhaben auch in Düsseldorf: Aus purer Parkplatznot wollen Einzelhändler im Düsseldorfer Stadtteil Unterbilk künftig Kunden belohnen, die statt mit dem Auto mit Bus und Bahn zum Einkaufsbummel kommen. Ab 50 Euro Einkaufswert, so plant die lokale Werbegemeinschaft, gibt es dann das Geld fürs Ticket zurück. 30 Händler haben laut Lokalpresse bereits Interesse bekundet. Mit 50 Shopping-Adressen soll es im Sommer los gehen. Man sieht: Verkehrswende muss nicht qua Politik verordnet werden, manchmal reicht auch eine neue Geschäftsidee.
Auto-Riesen ziehen die Handbremse
Das haben sich vermutlich auch zwei große Wettbewerber der Autoindustrie gesagt: Daimler und BMW wollen, wie das so schön heißt, „Kräfte bündeln” im Marktsegment des Carsharing. Hier wird wohl weniger „gebündelt” als vielmehr die Handbremse angezogen, auch wenn vollmundig von „Global Player”-Ambitionen gesprochen wird. Denn offensichtlich ist es nicht damit getan, schicke Autos in der City abzustellen, damit sich dann die Nachfrage von Fahrzeugmietern ganz von alleine regelt. Selbst wenn: Ob das zu weniger Autoverkehr führt, ist zumindest zweifelhaft. Ohnehin schrumpft die Marktnische zwischen Taxis auf der einen und Bussen und Bahnen auf der anderen Seite zusätzlich durch „Ride Pooling”- oder „On Demand”-Angebote. Jene Sammeltaxis also, bei denen sich mehrere Fahrgäste ein Fahrzeug für eine weithin gemeinsame Reisestrecke teilen, zum Beispiel Moia in Hamburg, „Isartiger” in München, „Berlkönig” in Berlin. Wenn das in einigen Jahren fahrerlos funktionieren sollte, hat der öffentliche Verkehr eine attraktive Ergänzung bekommen.
Über den Autor
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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