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Brennpunkt Verkehrswende

Zeit für den großen Wurf

Position
Berlin – 26. August 2020

„Schneller bauen für starke Wirtschaft und klimafreundliche Mobilität” – der PR-Ton des Bundesverkehrsministers für seinen jetzt vom Kabinett verabschiedeten Entwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes. Mutlose Mogelpackung, sagen Kritiker. Wohl eher vorschnell: Es ist ein erster Schritt, beim Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen voran zu kommen.

Italien – in germanischer Überheblichkeit ist man geneigt, ein „ausgerechnet” hinzuzufügen: Da haben die doch tatsächlich die eingestürzte Autobahnbrücke in Genua in nur zwei Jahren durch einen Neubau ersetzt! Geht so etwas auch nördlich der Alpen in den Bürokratie-, Regelungs- und Kompetenz-Sümpfen von Bund, Ländern und Gemeinden?

Ein Ruck durch den Investitionsstau

In Ludwigshafen könnte der Beweis angetreten werden. Dort wird zurzeit die marode, einsturzgefährdete Hochstraße Süd, eine der zentralen Verkehrsachsen, abgerissen. Der Neubau soll zügig folgen: Das Projekt ist eines von 13 Vorhaben aus dem Planungsbeschleunigungsgesetz, mit dem ein Ruck durch den Investitionsstau allerorten gehen soll. Es ist Andreas Scheuers erster Versuch, Gutes für die Infrastruktur zu tun. So schnell wie in Genua wird es wohl nicht klappen, doch der neue Brückenzug soll immerhin schon 2025 fertig sein – nachdem zunächst einmal von 2030, 2031 die Rede war…

Quälende deutsche Langsamkeit

In wenigen Wochen eröffnet die Schweiz – wie in diesem Blog beschrieben – den Ceneri-Tunnel südlich des Gotthard-Basistunnels und verfügt dann quer durch die Alpen über eine „Flachbahn” wie im flachen Land. Geschaffen werden vor allem zusätzliche Kapazitäten für den Güterverkehr auf den Schienen der Rhein-Alpen-Achse von der Nordsee bis zum Mittelmeer. Auch hier waren die Italiener schneller als die Deutschen: Südlich der Schweiz ist das Netz ausgebaut, um massiv Verkehr von der Straße auf die Bahn zu holen. Hierzulande quält man sich fast ein Vierteljahrhundert nach Unterzeichnung eines Staatsvertrages mit den Eidgenossen durch den Neu- und Ausbau der 180 Kilometer von Karlsruhe nach Basel. Bürgerproteste, Gerichtsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Gutachten, Umplanungen, Raumordnung, Planfeststellung und noch der Tunneleinbruch bei Rastatt: Bis 2025 soll erst die Hälfte der Vorhaben abgeschlossen sein, bis 2040 die komplette Maßnahme. Die Begeisterung in der Schweiz hält sich in Grenzen.

Bürgerfront gegen alles

Mehr noch: Im Inntal zwischen Kufstein und Rosenheim droht sich die umständliche und ausufernde Planungsweise der Deutschen zu wiederholen. Wenn der im Bau befindliche Brenner-Basistunnel 2028 in Betrieb gehen soll, braucht er im Nord-Zulauf durchs Grenzgebiet in Tirol und Bayern leistungsfähige Anschlussstrecken. Auf dem Papier sind fünf Varianten für neue und zusätzliche Linien entworfen worden. Egal welche: zehn Jahre Bauzeit ist das Minimum. Entscheidungen sind aber nicht in Sicht, dafür aber der versammelte Bürgerprotest. Zu beobachten unlängst in den ARD-Tagesthemen, die sich nicht zu schade waren, mit dem potenziellen Schicksal eines einzelnen Hausbesitzers Front gegen alles zu machen.

Minister: Alles im Blick, wo es klemmt

So kommen wir nicht weiter. Ob Deutschlandtakt im Schienennahverkehr, ob Hochgeschwindigkeit zwischen den europäischen Metropolen, ob leistungsfähiger Güterverkehr der Bahnen – ohne einen gezielten und zügigen Ausbau der Infrastruktur wird das nichts. Scheuers Gesetzentwurf birgt viele Ansätze, wie man Kapazität und Qualität der Verkehrsnetze ohne endloses Zögern und Zaudern verbessern kann. „Wir beschleunigen Genehmigungen, verkürzen Gerichtsverfahren, sorgen für schnelleres Baurecht, entschlacken die Verfahren. Damit nehmen wir alles in den Blick, wo es bislang klemmt”, lässt sich der bekanntlich vielfach im Feuer stehende Minister zitieren. Einzelheiten sind im Internet nachzulesen.

Hoffen auf den konstruktiven Erfolg

Das Echo in der Fachöffentlichkeit ist, abgesehen von den üblichen parteipolitischen Querelen, vorhanden und durchaus konstruktiv bis hin zu Verbesserungs-, Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen. Das nun folgende Gesetzgebungsverfahren im Bundestag hat zumindest die Chance, das Papier aus dem Verkehrsministerium zum großen Wurf auszubauen. Hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode. Es wäre an der Zeit.

Foto: Eberhard Krummheuer

ÜBER DEN AUTOR

Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.

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