Position
Berlin – 18. März 2021
Schnelle, leistungsfähige Schienenwege durch die Alpen sollen endlose Lkw-Kolonnen ersetzen. Erst der Gotthard-Tunnel, nun die Brenner-Unterquerung. Doch Verkehrswende und Klimaschutz drohen einmal mehr an deutschen Provinzpolitikern zu scheitern.
Ende des Jahrzehnts sollen die 64 Kilometer langen Röhren unter dem Brennerpass von Südtirol bis ins Inntal östlich von Innsbruck in Betrieb gehen. Dann wiederholt sich ein Drama, unter dem die Schweiz und mit ihr Europas Logistikbranche seit der Fertigstellung des Gotthard-Projekts vor fast fünf Jahren noch Jahrzehnte stöhnen werden. Die Zulaufstrecken in Deutschland sind noch lange nicht fertig. Zwischen Basel und Karlsruhe wird zwar viel gebaut, aber das wird wohl bis in die 40-er Jahre dauern. Im bayerischen Inntal, zwischen der Grenze in Kiefersfelden und Rosenheim, ist es noch dramatischer. Es brennt gewissermaßen. Da gibt es zwar diverse Pläne für alternative Neubaustrecken, doch es passiert nichts. Keine Entscheidungen, keine Planung, geschweige denn ein Baubeginn!
Als wäre das Brenner-Basis-Projekt erst gestern völlig überraschend begonnen worden, gefallen sich Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer und Markus Söders Regierungs-Juniorpartner Hubert Aiwanger darin, die Notwendigkeit einer zusätzlichen Schienenstrecke für den stark wachsenden Güterverkehr in Frage zu stellen. Der Bedarf müsse erst nachgewiesen werden. Wie bitte? Die Politikerinnen und Politiker, die weißblaue Dorfidylle, grüne Vorgärten und ihre Wählerstimmen pflegen, sollten sich mal an die Inntalautobahn stellen und den stetigen Strom der Lastzüge und Sattelschlepper beobachten – und der Geräuschkulisse des Schwerverkehrs lauschen.
Keine Infrastruktur bringt keine Güterverlagerung
Für 20, 30 Jahre sei genug Kapazität für den Brenner-Nordzulauf auf den bestehenden Gleisen vorhanden, heißt es forsch. Wenn man dann erst anfängt zu planen und zu bauen, dürfte eine Neubaustrecke wohl erst 50 Jahre nach der Tunneleröffnung zur Verfügung stehen. Besonders „hinterfotzig” (bayerisch für unaufrichtig) dieses Aiwanger-Argument: Allein die Infrastruktur garantiere noch keine konsequente Güterverlagerung auf die Schiene. Was er nicht sagt: Keine Infrastruktur garantiert ganz sicher, dass künftig nicht ein Lkw weniger unterwegs ist. Dass in Oberbayern dann die richtigen Rahmenbedingungen der Bundespolitik angemahnt werden, ist mehr als scheinheilig, sind doch die Bundesverkehrsminister seit 2008 einer nach dem anderen allesamt von der CSU.
Ministerpräsident Markus Söder, der den Kurs der entschlossenen Corona-Bekämpfung verfolgt, hätte hier ein pandemiefreies Profilierungsthema, das schon lange da ist und ihn bestimmt noch beschäftigen muss: die Klimakrise.
ÜBER DEN AUTOR
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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