Position
Berlin – 03. April 2020
Die Corona-Krise schien gleich am Anfang einen Gewinner zu haben: die Güterbahn. Als die Lkw-Flotten im Grenzstau liegen blieben, bot sich die Schiene als Alternative an.
Der „Pasta-Express” von DB Cargo wurde zum plakativen Aushängeschild: Während Hamsterkäufer die Nudeln aus den Supermarkt-Regalen räumten, holte die Bahn nach eigener Darstellung Nachschub aus Italien. Stau an der Grenze? Habe es nicht gegeben. Personalnöte? Auch nicht: Ein Lokführer transportiere schließlich so viel wie 30, 40 Lkw-Kapitäne. Und das mit minimalem Ansteckungsrisiko. Auch der DB-Cargo-Wettbewerber TX Logistik – einst von Nicht-Eisenbahnern gegründet und heute Tochter der italienischen Bahn – ist als Spezialist mit Ganzzügen im Kombinierten Verkehr mit Containern und Lastwagenaufbauten im Geschäft mit hochwertigen Gütern wie Lebensmitteln, Hygiene-Artikeln oder Medikamenten. Doch der Transport von Konsumgütern, ob Nudeln oder Zellstoff fürs Toilettenpapier, wird nicht annähernd die dramatischen Auftragslöcher füllen können, die die europaweite Stilllegung ganzer Industriezweige für den Güterverkehr auf der Schiene reißt.
Fatale Abhängigkeiten
Es ist derzeit viel die Rede davon, dass man nach der Pandemie überkommene Liefer- und Logistik-Strukturen überdenken muss. Insbesondere geht es darum, die in den letzten Tagen vielfach beschriebenen fatalen Abhängigkeiten von eingefahrenen Wegen zu beseitigen. Das trifft sicher auf den Arzneimittel-Einkauf in Fernost zu. Es gilt aber ebenso für die einseitige Festlegung der Transportketten auf den Straßengüterverkehr. Da kann der „Pasta-Express” als PR-Gag durchaus ein Denkanstoß sein, mehr aber nicht – eine Lösung für die gegenwärtigen Nöte der gesamten Branche ist er sicher nicht.
Die Güterbahn muss modern werden
Sicher gibt es zunehmend Interesse am ökologisch sinnvollen Schienengüterverkehr. Bislang aber ist der hohe Marktanteil des Lkw eine rein kommerzielle Entscheidung der Verlader: Der Güterverkehr auf der Straße ist aus der Sicht seiner Nutzer flexibel und bezahlbar. Da kommt die Schiene mit ihren komplizierten Produktionssystemen oft nicht mit, trotz ihrer unbestrittenen Klima- und Umweltvorteile. Wenn der „Pasta-Express” dauerhaft Nudel-Nachschub bringen soll, muss er der Wirtschaft mehr Vorteile bringen. Die Güterbahn muss dafür endlich modern werden. Zum Beispiel: innovatives Wagenmaterial, das dank Telematik den Bahnkunden eine lückenlose Sendungsverfolgung während der Transportdauer ermöglicht. Zeitsparende Abläufe in den Rangierbahnhöfen mithilfe digitaler Technik. Gut und zuverlässig gesteuerte Betriebsabläufe im Streckennetz.
Es liegt am Steuerzahler
Vielversprechende technische Ansätze für die moderne Güterbahn gibt es reichlich. Nur sie kosten auch reichlich Geld. Die Einführung einer Digitalen Automatischen Kupplung für Güterwagen macht in Europa nur Sinn, wenn sie flächendeckend für alle Waggons eingeführt wird. Kostenpunkt nach ersten vorsichtigen Schätzungen: 5 bis 10 Milliarden Euro. Einmal mehr ist die Politik gefordert. Sie muss entscheiden, ob der Steuerzahler mehr Güter auf die Bahn bringen will.
Über den Autor
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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