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Berlin – 19. April 2022
Mehr Schiene statt Straße: Das ist nach weithin herrschender Auffassung in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft unabdingbar für die konsequente Mobilitätswende hin zum klimaneutralen Verkehr. Wie steinig der Weg dorthin ist, dokumentiert ein aktuelles Positionspapier des VDV, das sich lediglich mit einem wichtigen Teilaspekt befasst – der Planung des Infrastrukturausbaus. Alle reden von Planungsbeschleunigung: Das Papier kommt auf rund 50 verschiedene Thesen und Anforderungen, wie die schnelle Realisierung von Verkehrsprojekten deutlich verbessert werden kann und muss.
„Die Planungs‐ und Genehmigungszeiträume bei vielen unserer Ausbau‐ und Modernisierungsvorhaben sind zu lang, zu kompliziert und zum Teil überbürokratisiert. Mit den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen wird es nahezu unmöglich, die bis 2030 angestrebten Kapazitäts‐ und Netzerweiterungen auf der Schiene und im gesamten öffentlichen Verkehr zu realisieren”, warnte VDV-Präsident Ingo Wortmann. Die Branche der Busse und Bahnen macht nun in einem Positionspapier konkrete Vorschläge zur Planungsbeschleunigung: „Aus unserer Sicht kann es sofort losgehen, wir stehen bereit.“
Digitalisierung – ein wichtiger Schlüssel
In fünf Kapiteln setzt das Papier den weit gespannten Rahmen für eine effiziente Beschleunigung der Verkehrswege-Planung. Am Anfang steht die Forderung „Digitalisierung voranbringen”. Digitale Plattformen sollten als gemeinschaftliche Basis und auf allen Ebenen von den Kommunen bis zu den Verwaltungsgerichten, von Ingenieurbüros bis zu Vergabe-Institutionen Projektdaten jederzeit verfügbar machen. Hinzukommen müsse eine digitale Umweltplattform, um entsprechende Informationen, Bewertungsmaßstäbe und Standards verbindlich zu etablieren. Weitere Schritte sind dann detailliert in dem Papier beschrieben – zusammengefasst geht es um die Vereinfachung der Bürokratie insbesondere bei Zulassungs- und Genehmigungsverfahren.
Breiten Raum gibt die Studie dem bei Großprojekten meist heftig umstrittenen Thema Arten- und Naturschutz. Empfohlen wird eine Überarbeitung der entsprechenden Schutzvorschriften in der Abwägung mit Klima- und Verkehrsinteressen sowie einer stärkeren Berücksichtigung des „Schienenbonus” bei Neu- und Ausbauprojekten. Das alles solle verbindlich gesetzlich geregelt werden, um langwierige Diskussionen und Streitfälle von vornherein auszuschließen. Das ist ein grundsätzliches Anliegen des Positionspapiers. Es gehe darum, politisch und gesellschaftlich einen breiten Konsens für Schienenprojekte vom städtischen Nahverkehr bis zum Ausbau der Bahnknoten zu erzielen. In die „Standardisierte Bewertung”, nach der neue Vorhaben vorwiegend unter wirtschaftlichen Gründen beurteilt werden, müssen nach Überzeugung der Autoren stärker als bisher übergeordnete verkehrspolitische Ziele und „weiche” Faktoren wie etwa der Gewinn von Lebensqualität einfließen.
Bürokratie minimieren, Bauprojekte beschleunigen
Wenn dann die Entscheidungen für ein Projekt gefallen sind, gilt es dem Papier zufolge, die Realisierung bis zur Inbetriebnahme zügig und mit minimaler Bürokratie zu begleiten. Auch hier spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle, um das gesamte Prozedere vom Mittelabruf bis zur späteren Kontrolle der Verwendung zu verschlanken. Angeregt wird unter anderem auch die Schaffung von überjährigen Finanzierungslösungen etwa über Fonds, weiterhin die Bündelung von Baumaßnahmen und eine umfängliche Finanzierung der gesamten Planungs- und Kommunikationskosten eines Projekts. Damit diese Aufgaben dann auch beschleunigt umgesetzt werden können, fordert das Papier den Ausbau personeller Ressourcen bei Gerichten und Behörden sowie eine gezielte Nachwuchsförderung von Bau- und Eisenbahningenieuren.
Bürokratieabbau ist auch das Stichwort für die eigentliche Bauphase. Da gibt es reichlich zu tun, von der Lärmschutzgesetzgebung bis zu wasserrechtlichen Ausnahmeregelungen für Baustellen. Schneller bauen, so die Studie, könnte bei kleineren Projekten auch durch vereinfachte Auftragsvergaben unterhalb der EU-Ausschreibungsrichtlinien erreicht werden. Dr. Volker Christiani, Planungschef der Stuttgarter Straßenbahnen und Mitautor des VDV-Papiers, nutzte kürzlich eine Veranstaltung der VDV-Akademie – Thema: „Fit machen für die Mobilitätswende” – für den Hinweis, dass Beschleunigung keinesfalls die Bürgerbeteiligung an Projekten beeinträchtigen solle. Festgehalten werden müsse, dass Großprojekte im Normalfall in demokratischen Willensbildungen und mit einem Mehrheitsbeschluss gewählter Volksvertreter in Gang gesetzt werden. Christiani zitierte aus dem Positionspapier das Motto „Früh überzeugen statt lang prozessieren” und sprach sich entsprechend für die frühzeitige Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger ein. Wenn alle sich konstruktiv in die Prozesse um ein Vorhaben einbringen, sei das allemal ein Gewinn.
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