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Der lange Weg vom Auto zu Bus und Bahn

News
Berlin – 03. Dezember 2019

Alle reden über die Verkehrswende mit klimafreundlicher Mobilität. Doch auf dem Weg dorthin müssen noch viele Steine beiseite geräumt werden. Die Metropolkonferenz Nürnberg zeigte: Die ÖPNV-Branche braucht weiterhin die konsequente Unterstützung der Politik, und zugleich muss sie für ihre Kunden maßgeschneiderte, attraktive Angebote entwickeln.

„Intelligente Mobilität in ländlichen Räumen”, „Wohlfühlfaktor”, „Planungsbeschleunigung”, „Mobility as a Service”, „Nutzerdenken" – das sind Schlagworte aus der Konferenz „Die Zukunft der Mobilität”, die sich mit den Perspektiven der Metropolregion Nürnberg befasste. Rund 250 Besucher kamen zu der Veranstaltung, die von Deutschland mobil 2030 gemeinsam mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), dem kommunalen Nürnberger Verkehrsunternehmen VAG und den „Nürnberger Nachrichten” als Medienpartner im historischen Ratssaal der fränkischen Metropole ausgerichtet worden war.

Die Klimaschutzpolitik hat dem ÖPNV nach langen Jahren im politischen Abseits „Luft unter die Flügel” gebracht, erklärte VDV-Geschäftsführer Dr. Jan Schilling in seinem Eingangsstatement. Dass gleichwohl zu Euphorie kein Anlass besteht, ergänzte postwendend VAG-Chef Josef Hasler: Auf dem Weg zur Schaffung lebensgerechter – und nicht autogerechter – Städte mit einem hohen Marktanteil von Mobilität mit Bussen und Bahnen werde es ein „langer, langer Weg”.

Mit dem bayerischen Innenminister Joachim Hermann (CSU) und dem Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly (SPD) machten zwei prominente Politiker deutlich, dass die Verkehrs- oder Mobilitätswende alles andere als ein Selbstläufer ist und weitere Unterstützung auf allen politischen Ebenen erforderlich ist. Der Minister erklärte, dass der Freistaat Bayern sich Klimaneutralität bis 2050 – als erstes Bundesland – auf die Fahnen geschrieben hat. Zu den mit großzügigen Fördermillionen ausgestatteten Maßnahmenpaketen, die zur Erreichung dieses Zieles beitragen sollen, seien neben der ÖPNV-Förderung in den Metropolregionen „und den darum herum liegenden ländlichen Gebieten” auch Verkehrssteuerung und Stauvermeidungskonzepte für den Individualverkehr vorgesehen: „Es wird keine autofreie Zukunft geben”, erklärte Hermann. Eines der zentralen Probleme sprach nicht nur der Minister an: Es dauert in Deutschland viel zu lange, Infrastrukturplanungen für besseren Verkehr in die Tat umzusetzen.

OB Maly warnte vor der „Verheißung”, man könne den heutigen Autoverkehr 1:1 durch E-Autos ersetzen. „Das hat nichts mit der Mobilitätswende zu tun”. Damit werde kein Stau beseitigt. Es sei auch nicht praktikabel, weil kaum ausreichend Ladeinfrastruktur geschaffen werden könne: „Da gibt es dann jeden Abend in den Wohngebieten Schlägereien um den letzten Stöpsel ins Stromnetz.” Schon deshalb müsse ein nennenswerter Teil des heutigen Pkw-Verkehrs durch neue Mobilität ersetzt werden. Eins zeige sich in den Stau geplagten Innenstädten: „Wo Autofahren heute schon schwer möglich ist, sinkt der Motorisierungsgrad und auch das Statusdenken.”

Trotz aller Diskussionen um den Klimaschutz ist das Bewusstsein für saubere Mobilität nicht weit verankert. Vor allem die ältere Generation will weiterhin „alles mit dem Auto machen”, beobachtet Tim Konopka vom BUND. VAG-Vorstandschef Hasler beklagt die „Not-in-my-backyard”-Mentalität: Sobald ein Verkehrsprojekt den Einzelnen betrifft, kommt es zu massivem Widerstand. Maly sieht im gesellschaftlichen Bewusstsein zwar eine „Stimmungsphase”, aber noch keine „Haltungsphase”. Und Hermann forderte von der Branche ihre Betreiberperspektive zugunsten eines „Nutzerdenkens” aufzugeben.
Wenn deutsche Verkehrsunternehmen sich die klimaneutrale Zukunft vorstellen, blicken sie sehnsüchtig nach Wien. Günter Steinbauer, Chef der Wiener Linien, skizzierte auf der Konferenz das Erfolgsmodell. Er machte deutlich, dass der Erfolg des ÖPNV in der österreichischen Metropole langfristig und gezielt herbeigeführt wurde: Der Ausbau des U-Bahn-Netzes ist dabei nur die verkehrstechnische Seite, die es ermöglichte, in der Innenstadt den Individualverkehr zurück zu drängen und Lebensqualität durch großzügige Fußgängeroasen zu schaffen. Steinbauer zeigte auf, dass reichlich politischer Gestaltungswillen über viele Jahre hinter dem Wiener Erfolgsmodell steht. Zu den entscheidenden Schritten zählen die gezielte Parkraumbewirtschaftung, die das Abstellen von Autos erheblich verteuert. Mit der Einführung des viel gerühmten 365-Euro-Jahrestickets wurde der Preis fürs Schwarzfahren auf 100 Euro angehoben. Steinbauer: „Damit ist die Relation zu 365 Euro nicht mehr so hoch.” Auto-Parker und Schwarzfahrer tragen zur Finanzierung des attraktiven Jahrestickets bei, genauso Arbeitgeber mit der so genannten Dienstgeberabgabe. Die Zahl der Jahreskarten-Inhaber habe sich seit der Einführung verdoppelt. Zudem versuchen die Wiener Linien permanent, durch Marketing und Attraktivitätssteigerungen ihr System im Sinne des Wohlfühlfaktors noch besser ins Spiel zu bringen.

Tim Dahlmann-Resing, VAG-Vorstand, sagte, dass auch die deutschen Unternehmen eine derartige Jahreskarte anbieten könnten: „Wenn es einen Dritten gibt, der ein solches Produkt dauerhaft, also nicht nur für ein, zwei Jahre, finanziert, dann werden wir uns dem nicht verschließen.” Vorausgesetzt, das Defizit fürs tägliche Ein-Euro-Ticket wird „mit frischem Geld”, also nicht aus bestehenden ÖPNV-Finanzierungstöpfen ausgeglichen.

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