Position
Berlin – 30. Oktober 2019
Die Politik meckert, aber sie tut viel zu wenig für die klimafreundliche Mobilität. Es gibt zweifelhafte Kritik, fragwürdige Entscheidungen – und eine rote Karte für die Länder.
„Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht”: Mit diesem aus Afrika stammenden Sprichwort wehrte sich Richard Lutz, Chef der Deutschen Bahn, kürzlich im „Zeit”-Interview gegen politische Ungeduld hinsichtlich der Verbesserung von Zustand und Qualitäten des Staatskonzerns. Der Mann hat nicht Unrecht, waren es in der Vergangenheit doch gerade die Regierenden, die den Schienenverkehr vernachlässigt haben und damit – um im Bild zu bleiben – auf dem Gras, auf dem Eigentum des Bundes, eher herum getrampelt sind, statt es sorgsam zu pflegen.
Bundesländer sitzen auf Regionalisierungsmitteln
Das ist weit verbreitet in der Politik. Um noch einmal das Bild zu bemühen: Häufig wird das Gras gar nicht ausgesät, das da wachsen soll. So hat der Bundesrechnungshof gerade in einem umfangreichen Papier bemängelt, dass die Bundesländer mit den Regionalisierungsmitteln für den Nahverkehr – immerhin derzeit 8,65 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt – recht knausrig umgehen. Im Jahr 2016 sollen zehn Prozent gar nicht ausgegeben worden sein, schreibt die „Rheinische Post” unter Berufung auf den Rechnungshof. Seit 2008 hätten sich sogar 2,8 Milliarden Euro in den Länderkassen angehäuft.
Auch wenn Großprojekte erklärtermaßen an fehlenden Planungs- und Baukapazitäten scheitern mögen, ließen sich bestimmt sinnvolle, schnell zu realisierende Maßnahmen mit dem Geld bezahlen. Wie wäre es beispielsweise mit der Finanzierung weiterer Busse und Bahnen, um Takte zu verdichten oder Kapazitäten zu vergrößern? Wie wäre es mit Unterstützung von Angebotsverbesserungen, etwa App gesteuerten Rufbussen in den ländlichen Regionen? Zeichen setzen durch attraktive umweltgerechte Mobilität mit dem ÖPNV ist im Interesse des Klimaschutzes allemal sinnvoller als die Erhöhung von Pendlerpauschalen zum Ausgleich von steigenden Kraftstoffpreisen.
Umweltspur als zweiter Schritt
Auch auf kommunaler Ebene klappt das mit der grünen Aussaat längst nicht immer. So hat die Stadt Düsseldorf auf einer wichtigen innerstädtischen Nord-Süd-Route per „Umweltspur” dem Autoverkehr reichlich Kapazität genommen. Nun stehen werktäglich zigtausende Pendler vor dem Problem, den Arbeitsplatz pünktlich zu erreichen. Der öffentliche Nahverkehr könnte viele von ihnen aufnehmen, aber längst nicht alle – und er ist nicht unbedingt für jeden attraktiv: zu voll in den Stoßzeiten, zu lange Wartezeiten auf den nächsten Zug oder Bus, Nachholbedarf bei der qualitativen Ausstattung von Rollmaterial und Stationen. Die Umweltspur mag politisch gut gemeint sein, doch sie ist der zweite Schritt vor dem ersten. Erst den ÖPNV optimieren, dann den individuellen Verkehr einschränken. Mit dem Holzhammer lässt sich die Verkehrswende nicht herbeiführen, wie gesagt: Das Gras wächst nicht schneller…
Über den Autor
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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