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Digitaler Güterverkehr: Infrastruktur

Future
Berlin – 13. Mai 2020

Die Digitalisierung nimmt im Masterplan Schienengüterverkehr eine zentrale Rolle ein. Sie ist eine Voraussetzung, um den Transport von Gütern auf der Schiene zukunftsfähig zu gestalten. Dazu muss auch die Infrastruktur ertüchtigt werden. Die Weichen dazu sind in Teilen bereits gestellt. Einige Beispiele.

„Der Schienengüterverkehr muss wirtschaftlicher, schneller und zuverlässiger werden, wenn die Branche das angedachte Wachstum um 25 Prozent bis 2030 erreichen soll. Dafür müssen wir vor allem die zahlreichen Potenziale im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung von Fahrzeugen, Wagen und Infrastruktur nutzen. Wir brauchen einen Innovationsschub im Schienengüterverkehr“, forderten VDV-Vizepräsident Joachim Berends und BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Silvius Grobosch im Rahmen des 13. Forum Schienengüterverkehr bereits im Februar – kurz darauf wurde in der Corona-Krise („Pasta-Züge“, „Toilettenpapier-Waggons“) deutlich, wie wichtig die Güterbahnen für die Versorgungssicherheit für die Menschen und die Wirtschaft sind. Der Appell richtete sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die eigene Branche. Mehr Tempo bei der Umsetzung der im Masterplan Schienengüterverkehr festgelegten Maßnahmen, so lautet die zentrale Forderung.

Dazu zählt unter anderem auch die Umsetzung des europäischen Zugsicherungssystems ETCS (European Train Control System). Erst im vergangenen September haben der Bund, die Deutsche Bahn und mehrere Branchenverbände in einer gemeinsamen Absichtserklärung den gemeinsamen Willen für die Digitalisierung der Schiene bekräftigt. Teil des Projektes „Digitale Schiene“ ist ETCS. Es soll die bisher mehr als 20 existierenden nationalen Eisenbahnleit- und Sicherungssysteme in Europa ablösen und soll zusammen mit der Digitalisierung der Stellwerke im bestehenden Schienennetz einen Kapazitätszuwachs von bis zu 20 Prozent bringen. „Für uns und unsere Mitgliedsunternehmen ist die flächendeckende Ausstattung mit ETCS ein ganz entscheidender Punkt“, so Martin Schmitz, der als Geschäftsführer Technik für den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Erklärung unterschrieben hat. Er macht deutlich: „Nicht nur bei der Infrastruktur, sondern auch in den Fahrzeugen müssen dafür Milliarden Euro zusätzlicher Investitionen eingeplant werden. Hier brauchen wir die Unterstützung des Bundes und der Länder, sonst sind vor allem die vielen mittelständischen und kleineren Eisenbahnunternehmen damit finanziell überfordert“. Der VDV rechnet mit Gesamtkosten von mindestens vier Milliarden Euro für eine flächendeckende ETCS-Ausstattung allein in den Lokomotiven und Triebwagen der deutschen Betreiber.

Instandhaltung liefert Beitrag

Während die flächendeckende Ausstattung mit ETCS wohl noch Jahre in Anspruch nehmen wird, kann die Digitalisierung der Infrastruktur an anderer Stelle mit überschaubarerem Aufwand vorangetrieben werden. Auf dem Weg zu einer effizienteren, zuverlässigeren und unterm Strich kostengünstigeren Bahn ist unter anderem auch der Instandhaltungssektor gefordert. Dass sich der Einsatz der Digitalisierung gerade in diesem Bereich lohnt, legt eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger nahe. Immerhin gehen die Autoren davon aus, dass die Digitalisierung rund 20 Prozent der Instandhaltungskosten sparen kann. Predictive Maintenance, also vorausschauende Wartung, ist hier ein Schlagwort. Während ein moderner Lkw häufig schon mit entsprechenden Sensoren ausgestattet ist und erkennt, wann der Servicezeitpunkt ansteht und mitunter sogar – mit Blick auf geringe Ausfallzeiten und Leerkilometer – eigenständig einen Werkstatttermin vereinbart, besteht im Schienengüterverkehr diesbezüglich häufig noch Nachholbedarf. So werden zum Beispiel Güterwaggons in der Regel in festen Zeitabständen gewartet. Dafür müssen sie in Werkstätten überführt werden, was nicht nur zeitaufwändig, sondern auch kostenintensiv ist. Und es kommt immer wieder zu Schäden, die nicht vorhersehbar waren und die zu Betriebsstörungen und Stillständen führen.

„Da wir bisher keine Informationen aus dem Betrieb der Güterwagen erhalten haben, waren wir in der Vergangenheit gezwungen, umfangreiche Instandhaltungsregelwerke aufzubauen, die viele Sicherheiten beinhalten. Sicherheiten bedeuten aber auch Ineffizienzen. Diese Ineffizienzen müssen im Schienengüterverkehr verbessert werden, um ihn wettbewerbsfähiger gegenüber dem Straßentransport zu machen“, sagt Michael Breuer, geschäftsführender Gesellschafter von RailWatch. Das 2015 in Bonn gegründete Unternehmen will diese Informationen liefern und durch eine kontinuierliche Beobachtung Ausfälle möglichst vermeiden. Zu diesem Zweck hat RailWatch ein so genanntes Wayside-Train-Monitoring-System entwickelt, das – während der Vorbeifahrt am Streckenrand – über Kameras, Laser, Mikrofone und Sensoren Daten zum technischen Zustand der Wagen liefert. Zu diesem Zweck wird in europäischen Seehäfen, wie beispielweise Bremerhaven als auch in Industriebetrieben ein Netz aus Messstationen errichtet. Darüber hinaus betreibt RailWatch mittlerweile Messstationen an allen großen RailFreightCorridoren in Deutschland und demnächst auch in Europa. „Mit unserem Kunden, der VTG AG, erarbeiten wir Modelle für die vorhersehbare Wartung, um mit Verschleißtrendanalysen den genauen Servicezeitpunkt pro Güterwagen und Komponente vorhersagen zu können“, erläutert Michael Breuer. „Da ein Güterwagen über keine eigene Stromversorgung oder Verschleißsensoriken in den Komponenten, wie etwa für Bremssohlen verfügt, ist ein zustandsabhängige Wartung ohne Überwachung vom Streckenrand nur mit großen manuellen Prüfaufwendungen durch technische Mitarbeiter möglich. Hierbei besteht die Gefahr, dass zu spät instandgehalten wird und das Fahrzeug ungeplant ausfällt. Neben der Nichtverfügbarkeit fallen häufig weitere Kosten wie zusätzliche Rangierleistungen oder Ersatzgestellungen an. Mit der vorhersehbaren Wartung können die Nutzung und der Effizienzgrad eines Güterwagens erheblich verbessert, Werkstatt und Instandhaltungsprozesse optimal geplant und Ersatzteile rechtzeitig beschafft werden.“

Sektor übergreifende Datenplattform

Das Sammeln und Analysieren von Daten ist wichtig und wird von der Branche mehr und mehr umgesetzt. Defizite gibt es nach Angaben des VDV allerdings beim Informations- und Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Akteuren des Schienengüterverkehrs – von den Güterbahnen, über Wagenhalter, Bahnindustrie und der Infrastrukturindustrie bis hin zu den Kunden. Dies betrifft insbesondere Prozesse der Transportvorbereitung und -durchführung, der Ressourcennutzung und Beauftragung, der Instandhaltung sowie den Austausch von notwendigen Daten. Voraussetzung dafür wären geeignete Datenstandards, die einen durchgehenden digitalen Austausch in der Transportkette ermöglichen. Der Branchenverband arbeitet daher gemeinsam mit einer Reihe von Partnern an der Entwicklung einer Datendrehscheibe für den Schienengüterverkehr. Der Rail Freight Data Hub soll künftig den Austausch sektorweit ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde in einem ersten Schritt eine umfassende Prozessanalyse durchgeführt und so die wesentlichen Prozesse identifiziert. Nach der Priorisierung der Anwendungsfälle wird es weiter darum gehen, diese Datendrehscheibe zu entwickeln. Das Ziel: Die Gewährleistung einer datenseitig effektiven Transportkette.

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