Position
Berlin – 28. Juni 2019
Mobilität mal mit dem Volksmund beobachtet: Verkehrswende-Unterstützung aus dem Bundesfinanzministerium, Maut-Pleite für den Bundesverkehrsminister – und wie aus einem Bahn-Mann ein Autobahn-Mann wird.
Geld macht nicht glücklich, heißt der alte Spruch, aber es beruhigt. Das gilt offenbar auch für Spitzenbeamte der Bundesregierung. Finanz-Staatssekretär Werner Gatzer zum Beispiel. Der offenbarte sich kürzlich als engagierter Kämpfer für Klimaschutz und Verkehrswende. Auf der Jahrestagung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen in Mannheim verkündete Gatzer der Branche, dass für den milliardenschweren Ausbau der Systeme von Bus und Bahn das Geld „da” sei. Und es komme darauf an, noch mehr Effizienz beim Einsatz der Mittel zu erreichen, um schnell Mobilität mit weniger Treibhausgasen herzustellen.
Manch einer im Auditorium der Tagung rieb sich verblüfft die Augen: Herr Gatzer war bei früheren Branchentreffen stets mit der Botschaft aufgefallen, dass es aus seiner Kasse für den öffentlichen Verkehr nicht allzu viel Geld geben könne. Ob es nun die reichlich gesprudelten Steuermilliarden sind, die zu seinem Umdenken führten, oder klimafreundliche Denkimpulse nach dem Erschrecken über Volkes Stimme bei der Europa-Wahl, sei dahingestellt.
Kein Machtwort, trotzdem keine Maut
Umdenken muss auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer nach dem Scheitern der Maut beim Europäischen Gerichtshof. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung, formuliert der Volksmund. Doch alle die, die jetzt begeistert auf ihn einprügelten, machten ein bisschen den Bock zum Gärtner. Denn die Aussaat der nicht EU-konformen Idee von der Maut stammt vom CSU-Granden Horst Seehofer, und den Acker bestellte wider alle Vernunft ein Verkehrsminister namens Alexander Dobrindt. Und über allen thronte die Kanzlerin. Die erklärte zwar vor längerer Zeit, mit ihr gebe es keine Maut. Doch es gab auch kein Machtwort von ihr dagegen. Dass Scheuer nur zwei Tage später nach dem juristischen Desaster sein Herz fürs Motorradfahren entdeckte, muss nicht kommentiert werden.
Verkehrswende auf die Autobahn
Wes Brot ich ess’, des’ Lied sing ich, soll schon Martin Luther gesagt haben. Eine Volksweisheit, die bis heute nichts an Kraft verloren hat. Jüngstes Beispiel: Stephan Krenz, frisch ernannter Chef der neuen Bundesautobahngesellschaft. Mehr als 20 Jahre verdiente er sein Geld zunächst in der Bahnindustrie bei Bombardier, dann als Deutschland-Chef für das Bahnunternehmen Abellio. Und als Präsident des Verbandes Mofair führte er ein selbst ernanntes Bündnis der Deutsche-Bahn-Konkurrenten „für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr”. In seinem ersten Interview in neuer Funktion zeigt Krenz, dass er das alles hinter sich gelassen hat: Verkehrsvermeidung? Nein, lieber Autobahnen auf acht Spuren ausbauen. Verkehrsverlagerung, Verkehrswende, Klimaschutz gar? Fehlanzeige. Warum auch: Es sei genug Geld für noch mehr Schnellstraßen da.
Über den Autor
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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