News
Berlin – 18. Mai 2021
Kombinierter Verkehr bietet reichlich Chancen, um Container-Transporte und Lkw-Ladungen von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Doch die meisten der Gummi bereiften Transportgefäße, die so genannten Sattelauflieger oder Trailer, können bislang gar nicht Bahn fahren: Sie sind nicht „kranbar”, können also nicht in Terminals wie Container per Kran verladen werden. Neue, einfache Umschlagtechniken sollen das ändern.
Bis 2030 will die EU mindestens die Hälfte des Güterverkehrs von der Straße auf Schiene und Schiff umlenken. Bislang dominiert der Lkw mit einem Marktanteil von rund 75 Prozent. Der Kombinierte Verkehr für den Schienentransport von Lkw-Aufbauten und Containern nimmt zwar zu, doch nicht schnell genug, beispielsweise in der EU von 2008 in zehn Jahren um ein bescheidenes knappes Prozent. Grund für die geringe Umsteige-Begeisterung der Logistikbranche ist neben anderen, dass über zwei Drittel des Straßengüterverkehrs mit Sattelaufliegern abgewickelt werden, die ganz überwiegend nicht kranbare Fahrzeuge sind. Die machen, so berichtet die Deutsche Verkehrszeitung (DVZ), rund 95 Prozent aller Trailer in Deutschland aus.
Nutzfahrzeuge auf Züge setzen
Da liegt ein hohes Potenzial an Frachtgut für den so genannten Intermodalverkehr und damit für die Schiene. Schon länger wird nach alternativen Umschlagtechniken gesucht. Nun hat sich die VTG, mit knapp 100.000 Güterwagen Europas größter Waggonvermieter und Wagenhalter, mit dem Logistiker Vega International zusammengetan. Der österreichische Spezialist für Schienentransporte von Straßenfahrzeugen hat eine vertikale Transport- und Umschlagtechnik entwickelt, die er „Roadrail-Link” nennt. Es handelt sich um eine Art Tablett – einen flachen stählernen Verladekorb, auf den die Zugmaschine den Sattelauflieger auffährt, dann abkoppelt und verschwindet. Der Korb mitsamt Trailer drauf wird dann von einem Spezialfahrzeug, dem Reach Stacker, nicht anders als ein Container von der Seite auf den spezialisierten Bahn-Flachwagen, einen Taschenwagen, bugsiert.
Das geht, dank Elektronik und Laser-Messungen, mit hoher Präzision und Sicherheit und dauert nach Angaben der beiden Unternehmen nicht mehr als fünf bis acht Minuten. Außerdem wird der Sattelauflieger mit dieser Technik auch kranbar, denn der Korb kann auch per Terminalkran auf das Schienenfahrzeug gehoben werden. Auf die Reise geht die Lkw-Ladung dann zusammen mit dem Untersatz und wird am Zielbahnhof wieder mit ihm vom Zug gehoben. Dort kann sich eine Straßen-Zugmaschine wieder vor den Trailer rangieren, und weiter geht die Fahrt. Mit diesem System, das in nahezu allen europäischen Umschlagterminals und dank großer Taschenwagenflotten nach Angaben seiner Entwickler praktisch aus dem Stand heraus realisiert werden kann, wollen VTG und Vega ein flächendeckendes Intermodal-Angebot aufbauen. Ihre Praxistauglichkeit hat die neue Technologie in einem Güterverkehrszentrum in den Niederlanden bewiesen. Dort ist der Roadrail-Link bereits erfolgreich im operativen Alltagseinsatz.
Weitere Lösungen für den Kombinierten Verkehr
Gefördert mit EU-Mitteln zum Ausbau des Kombinierten Verkehrs sind auch andere technische Ansätze für den Umschlag nicht kranbarer Trailer bereits serienreif und in Zügen im Einsatz. Die in Leipzig ansässige Cargobeamer AG hat ein System entwickelt, bei dem ebenfalls Sattelauflieger in einer Transportwanne quer von der Straße auf die Schiene und dort auf speziell ausgestattete Waggons verschoben werden. Vollautomatisch dank digitaler Technik. Wo die entsprechende Infrastruktur eingerichtet ist, kann laut Unternehmensangaben ein kompletter Intermodal-Zug in 20 Minuten be- und entladen werden. Sechs Terminals zwischen der französisch-spanischen Grenze, dem Kanaltunnel sowie Deutschland und Polen werden bereits mit Ganzzügen dieser Bauart bedient.
Eine andere Technik hat die elsässische Verkehrstechnikfirma Lohr entwickelt, das System Modalohr. Es baut auf Spezialgüterwagen auf, deren Mittelteil im Terminal um 30 Grad verschwenkt wird, damit dann vom niveaugleichen „Bahnsteig” Zugmaschinen die Sattelauflieger auf den Waggon fahren. Sobald sie abgekuppelt und weitergefahren sind, lässt sich die Plattform für den Trailer wieder in die Normalstellung bringen, und der Zug ist abfahrbereit. Auch das dauert nur ein paar Minuten, sagt der Hersteller. Als „Rollende Landstraße” sind mehrere Züge mit dieser – allerdings aufwändigen – Technik bereits seit Jahren regelmäßig quer durch Europa unterwegs.
Das könnte Sie auch interessieren:
Immer mehr Busse mit Elektroantrieb, immer mehr Straßen-, Stadt- und U-Bahnen: Trotz der lähmenden Pandemie setzen die Verkehrsunternehmen kontinuierlich auf die Mobilitätswende. Diese wollen noch zulegen. Dafür haben sie Rückenwind aus der Politik.
weiterlesen
Der in Corona-Zeiten stark gewachsene Online-Handel lässt die Fahrzeugflotten für die Paketauslieferung immer größer werden. Das passt nicht in Konzepte, die Städte mit weniger Autoblech lebenswerter zu machen. In ersten Modellversuchen wird überlegt, den ÖPNV stärker in die innerstädtische Verteil-Logistik einzubinden.
weiterlesen
Schnelle, leistungsfähige Schienenwege durch die Alpen sollen endlose Lkw-Kolonnen ersetzen. Erst der Gotthard-Tunnel, nun die Brenner-Unterquerung. Doch Verkehrswende und Klimaschutz drohen einmal mehr an deutschen Provinzpolitikern zu scheitern.
weiterlesen