Future
Berlin – 10. Juni 2020
Singapur macht es vor: ein engmaschiges ÖPNV-Angebot, gut getaktet und darüber hinaus relativ preiswert. Ergänzend zu diesem System werden ab 2022 in drei Arealen der Insel autonome Busse eingesetzt – und bringen Fahrgäste fahrerlos ans Ziel.
Die wachsende Metropole Singapur musste schnell einsehen, dass Platz auf einer Insel Mangelware ist. Bei 719 Quadratkilometern und 5,6 Millionen Einwohnern muss der vorhandene Raum nachhaltig und clever genutzt werden. Daher peilt die Regierung ein Entlasten der Straßen zugunsten umweltfreundlicher und alternativer Mobilität an. Im Jahr 2015 startete die Regierung einen umfänglichen Nachhaltigkeitsplan – den sogenannten „Sustainable Singapore Blueprint“ (SSB). Dieser Plan beinhaltet fünf strategische Impulse für den Aufbau einer nachhaltigen Stadt. Eines der Schlüsselelemente ist das autofreie („car lite“) Singapur.
Ein erfolgreicher Weg, um den Individualverkehr zu verringern, ist die Stärkung des ÖPNV. 2017 beschloss die Regierung Singapurs daher ganze 13 Milliarden Euro in den öffentlichen Nahverkehr zu investieren. Die U-Bahn, in Singapur MRT genannt (Mass Rapid Transit), wird noch bis 2029 ausgebaut und das Netz mit neuen Haltestellen versehen. Ein fester Fahrplan existiert nicht – stattdessen fahren alle Fahrzeuge in den Hauptverkehrszeiten in unterschiedlichen Taktraten von fünf bis zehn Minuten. Haltestellen sind in den Städten immer in unmittelbarer Nähe. Das hervorragende Angebot und der vergleichsweise günstige Fahrpreis machen die Fahrt mit dem ÖPNV attraktiv.
Autonome Fahrzeuge entlasten die Straßen
Ein weiterer Weg, um Straßen und Umwelt zu entlasten, ist die Implementierung von autonomen Fahrzeugen in das regionale ÖPNV-System. Dieses Ziel hat sich die Regierung im Zuge des „Sustainable Singapore Blueprint“ zur Aufgabe gemacht. Mit der Erforschung der Technologie wurde das Komitee für autonomen Straßenverkehr (CARTS) des Verkehrsministeriums betraut. In Kooperation mit dem Kompetenzzentrum CETRAN wird seit 2017 an der Technik gefeilt. Gleichzeitig begleitet und prüft die Verkehrspolizei die Sicherheit – und eine Planungsagentur widmet sich der Integration in die jeweiligen Stadtviertel. Da Umweltschutz ebenfalls ein großes Anliegen der Politik ist, handelt es sich bei allen Fahrzeugen um vollelektrische Exemplare.
Für die Testphase ließ die National University of Singapur eine eigene Teststadt erbauen, die alle Aspekte einer realen Stadt berücksichtigte: Ampeln, Bushaltestellen und Hochhäuser flankierten die Straßen. Sogar Wetterverhältnisse, inklusive tropischer Stürme, wurden realitätsnah simuliert. Das tropische Wetter ist eine der größten Herausforderungen, um sicheres und störungsfreies autonomes Fahren zu bewerkstelligen. Aber auch mitten in der Stadt waren die autonomen Kleinwagen unterwegs: Im neuen Hightech-Viertel One-North sowie dem angrenzenden Stadtteil Buona Vista testeten die Forschungsgruppen sowie mehrere Start-ups auf rund 55 Kilometern autonome Wagen im Verkehr.
Shuttles ergänzen das Mobilitätsangebot
Ab 2022 wird das ÖPNV-System in drei Arealen des Staates um autonome Shuttles ergänzt. Im Punggol-, Tengah- und im Jurong-Distrikt sollen die Minibusse als Ergänzung und Zubringer eingesetzt werden, um die Mobilität in den Zeiten zu unterstützen, in denen vergleichsweise weniger Fahrgastaufkommen herrscht. Pendler werden die Shuttles mit dem Smartphone buchen können, um zum Beispiel nachts oder in den frühen Morgenstunden von der U-Bahn nach Hause oder zur Arbeit zu fahren. Die Regierung erhofft sich dadurch nicht nur dem Personalmangel in der Verkehrsbranche entgegenzukommen, sondern auch, dass autonome Fahrzeuge den Straßenraum in naher Zukunft an Grünflächen oder Spielplätze zurückgeben.
Nährboden für alternative Konzepte
Laut einer Studie zur Kundenakzeptanz der autonomen Technologie von KPMG – dem „Autonomic Vehicles Readiness Index“ – reiht sich Singapur im weltweiten Vergleich auf den zweiten Platz ein – der erste Platz gehört den USA. Neben der großzügigen Förderung der Regierung ist dies jedoch auch im Zusammenhang der strengen Maßnahmen, um den Individualverkehr zu verringern, zu sehen. Seit Februar 2018 wird in Singapur kein neues Auto mehr zugelassen, sofern nicht ein altes dafür abgemeldet wurde. Die Zulassungen, die online ersteigert werden müssen, kosten zwischen 30.000 und 60.000 Euro – und sind jeweils nur zehn Jahre gültig. Dazu kommt, dass Autos sehr hoch besteuert sind. Normalverdienende können sich seit geraumer Zeit deshalb kein eigenes Auto mehr leisten. Flankiert werden diese Hürden durch Maßnahmen, die das Stauaufkommen verringern. Ein smartes ERP-Mautsystem bucht – je nach Uhrzeit – entsprechende Summen direkt via eines Karten-Lesegeräts, das in jedem Auto in Singapur verbaut sein muss, vom Konto des Fahrers ab. Während der Stoßzeiten sind die Beträge höher – wenn Verkehrsteilnehmer jedoch Alternativrouten fernab von den Hauptverkehrsadern oder außerhalb der Rush-Hours fahren, fallen die Gebühren geringer aus. Autofahren ist für viele daher keine günstige noch praktische Alternative. Stattdessen wird mit dem ÖPNV gefahren oder das Taxi genommen – oder ab 2022 das autonome Taxishuttle, das den Passagier komfortabel von Tür zu Tür bringt.
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