Future
Berlin – 04. Juni 2020
Auch in der Corona-Krise muss der Klimaschutz weiter vorankommen. Fakten und Fristen dafür formuliert die Clean-Vehicles-Richtlinie der EU. Sie setzt enge Termine für die Beschaffung neuer, klimaneutraler Bus-Generationen. Damit hat sie auch den Blick auf Wasserstoff als Energiequelle für den ÖPNV geschärft.
Ursula von der Leyen propagierte als frisch gebackene EU-Ratspräsidentin noch vor der Pandemie ihre Idee vom „Green Deal” gegen die Klimaerwärmung. Ihre Vorstellungen wurden vielfach als zu vage kritisiert, doch schon vor ihrer Amtszeit hatte die „Clean Vehicles Directive” (CVD) aus Brüssel der Fahrzeugindustrie und den Verkehrsunternehmen fast den Atem verschlagen: Als so rigoros werden die Vorschriften empfunden, die detailliert und minutiös für den Einkauf neuer Linienbusse mit Gesetzeskraft den sauberen Antrieb vorschreiben. „Sauber”, so die Richtlinie, sind in erster Linie Elektro-, Wasserstoff- und Erdgasbusse, aber auch Fahrzeuge, die mit Biokraftstoffen, synthetischen Kraftstoffen oder Flüssiggas fahren, solange diese nicht mit fossilen Energieträgern gemischt werden.
Auslaufmodell Dieselbus
Was die Richtlinie so fordernd macht, ist ihr Zeitplan. Schon vom August des nächsten Jahres an dürfen für den ÖPNV nur noch zu einem Teil Dieselbusse gekauft werden. Bis 2025 müssen 45 Prozent der Neubeschaffungen emissionsarme Busse sein, „saubere” Fahrzeuge, deren Motoren ganz und gar ohne fossile Brennstoffe arbeiten. Und ab 2026 soll die Quote der zu bestellenden sauberen Busse auf 65 Prozent angehoben werden. Verboten sind nach der Vorschrift, die bis zum kommenden Sommer in nationales deutsches Recht umgesetzt werden muss, auch die bei den Verkehrsbetrieben wegen ihrer hohen Emissionsarmut hoch geschätzten Motoren der Euro-6-Norm.
Damit nicht genug: Die CVD sieht weiter vor, dass die Hälfte der emissionsarmen Busse noch sauberer sein muss – nämlich vollkommen frei von Treibhausgasemissionen und pro Kilometer weniger als ein Gramm CO2 ausstoßen. Das können bislang nur Elektro-Busse mit Strom aus der Batterie oder der Oberleitung, die in Deutschland seit Jahrzehnten lediglich in drei Städten – in Solingen, Eberswalde und Esslingen – fahren sowie Busse mit Brennstoffzellen-Technologie.
Auch technologieoffene Mobilität erweist sich als effektiv
Nachdem die ÖPNV-Branche in den letzten Jahren die Entwicklung von Batteriebussen in den Vordergrund gestellt hatte, hat inzwischen eine eher „technologieoffene” Betrachtung der Elektromobilität im Bereich der Linienbusse begonnen. Und damit werden auch die Möglichkeiten der Brennstoffzelle verstärkt in Erwägung gezogen. So sind es Verkehrsunternehmen wie beispielsweise die Stadtwerke Wuppertal (wsw mobil) oder Regionalverkehr Köln (RVK), die auf Grund besonderer Anforderungen die E-Mobilität ihrer Busse nicht mit den bisher am Markt erhältlichen Batteriebus-Systemen realisieren können. Wuppertal hat ein von anspruchsvoller Topographie geprägtes Liniennetz, in dem Batteriebussen zu schnell der „Saft” ausgeht. Bei der RVK mit ihrem weit über die Domstadt hinausgehenden Streckennetz sind es vor allem die hohen Kilometerleistungen bei den Busumläufen, die der Brennstoffzellenbus in ähnlicher Weise erbringt wie ein Dieselfahrzeug. Elektromobilität dank Wasserstoff setzt voraus, dass die Energie überhaupt verfügbar ist. Wuppertal nutzt den Stadtwerkeverbund, um über die Stromerzeugung in der Müllverbrennung die elektrische Energie zu gewinnen, mit der im Elektrolyse-Verfahren Wasserstoff erzeugt wird. Wasserstoff ist aber auch Produkt oder Abfallprodukt in der Chemie-Industrie: Dort füllt die RVK die Tanks.
Enorme Investitionen sind erforderlich
Trotz des Drucks aus Brüssel braucht der Umstieg auf elektromobile Busse im ÖPNV Zeit. Denn die Investitionen für den klimaneutralen ÖPNV gehen in die Milliarden. Da die neuen Technologien noch weit von der Serienreife entfernt sind, kosten neue Fahrzeuge schnell das Doppelte von Dieselbussen, und ein wirtschaftlich sinnvoller Alltagsbetrieb ist meist auch noch nicht erreichbar. Enorme Investitionen sind zudem für den Umbau der stationären Infrastruktur in Betriebshöfen und im Netz erforderlich, von der Stromversorgung bis zur Wasserstofftankstelle. Der VDV mahnt immer wieder an, dass die staatliche Förderung ausgebaut und besser koordiniert werden muss.
Um die CVD-Quote in Deutschland zu erreichen, tritt die ÖPNV-Branche solidarisch an. Große Verkehrsunternehmen in den Millionenstädten und Ballungsgebieten sind dabei, ihre Flotten so schnell wie möglich komplett auf E-Mobilität umzustellen. Damit werden bei ihnen die Brüsseler Quoten übererfüllt – und davon profitieren die kleineren Unternehmen. Sie können, wirtschaftlich sinnvoll, die technologische Weiterentwicklung und die fortschreitende Standardisierung abwarten – und erst dann ihre Flotten auf Klimaneutralität umrüsten.
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