Position
Berlin – 28. Oktober 2020
Man mag es kaum glauben: In der Logistikbranche wird von einer breiten Front gefordert, größere und schwerere Lkw als bisher zuzulassen. Und begründet wird das ausgerechnet mit Klimaschutz.
Es ist ein neuer Anlauf. Bereits 2018 hatten 13 Wirtschaftsverbände – unter ihnen die Wirtschaftsvereinigung Stahl, der Verband der Chemischen Industrie und der Bundesverband Baustoffe, Steine und Erden – vom Bundesverkehrsministerium gefordert, das höchste zulässige Gesamtgewicht von Lkw von 40 auf 44 Tonnen anzuheben. Das wurde seinerzeit abschlägig beschieden – wegen der „unverhältnismäßig höheren Belastung der Straßeninfrastruktur”.
Mehr Lkw-Kapazität für weniger CO2?
Nun sind es gar 21 Organisationen, meist aus der zweiten Liga der Interessenvertretungen, die mehr Lkw-Kapazität auf die Straße bringen wollen. Die Verbände, die sich unschuldig „Initiative Verkehrsentlastung” nennen, argumentieren schlicht: Weil 44-Tonner mehr Ladung als 40-Tonner aufnehmen können, würden jährlich „mehrere Millionen Transporte” eingespart und das Straßennetz entlastet. Ja, das sei „ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz” mit erheblichen CO2-Einsparungen. Das sind kühne Rechnungen. Sie setzen – völlig realitätsfern – ein konstantes, also in den kommenden Jahren nicht mehr steigendes Marktvolumen voraus. Und sie gehen spätestens dann nicht auf, wenn die um zehn Prozent gestiegene Transportkapazität pro Lkw sich in günstigeren Preisen niederschlägt und zusätzlich zu mehr Ladungsnachfrage, sprich: zu mehr 44-Tonnern, führt. Jeder Autobahnbau und jede Autobahnerweiterung um zusätzliche Spuren belegen seit Jahrzehnten, dass mehr Kapazität mehr Verkehr entstehen lässt.
Noch mehr Last auf der Straße
Davon abgesehen: Je schwerer ein Fahrzeug, desto mehr Energie verbraucht es – von Treibhausgas-Emissionen ganz zu schweigen. Bekannt und unstrittig ist auch, dass der Schwerlastverkehr bei jeder Fahrt das Straßennetz um mehr als das Hunderttausendfache im Vergleich zum Pkw schädigt und Milliardeninvestitionen für Erhalt und Erneuerung erfordert. Wie die Befürworter des 44-Tonners zu der Erkenntnis kommen, die Mehrbelastung durch – noch – schwerere Lkw sei für die Infrastruktur „gering”, bleibt ihr Geheimnis.
Klimafreundlich im Kombinierten Verkehr
Der Vorstoß dürfte weniger auf den Klimaschutz abzielen. Er geht vielmehr in Richtung Wettbewerb: Bei Transporten des Kombinierten Verkehrs mit Bahn oder Binnenschiff hat der Gesetzgeber bereits vor Jahren regulierend eingegriffen und für dieses Geschäft 44-Tonner auf der Straße zugelassen – in der erklärten Absicht, klimafreundliche Transporte zu fördern. Denn diese sind bekanntlich im „Hauptlauf”, also auf der Langstrecke, umweltschonend auf der Schiene oder der Wasserstraße unterwegs. Da geht ein Teil des Kuchens an der Straßenbranche vorbei.
Dilemma mit der Nachhaltigkeit
Der Wunsch nach einem neuen Schwergewicht auf der Straße zeigt ein Dilemma der Logistikbranche auf. Zwar war das Wort „Nachhaltigkeit” auf dem Deutschen Logistikkongress jetzt gerade im Oktober in Berlin in aller Munde, doch von überzeugenden Klimaschutz-Lösungen ist die weithin auf den Lkw fixierte Branche weit weg. Beste Chancen also für die umweltfreundliche Schiene, sollte man meinen. Und auch die Politik ist begeistert dabei, sich wieder einmal die Verlagerung von Güterverkehr auf die Bahn auszumalen.
Hemmschuhe der Bahnbranche
Doch nach Jahrzehnte langem Nicht-Handeln – politisch wie unternehmerisch – hat die Bahnbranche zwar Fantasien, Ideen und Aufbruchstimmungen, doch aus dem Ist-Zustand schleppt sie immer noch Hemmschuhe mit sich herum, gegen die 44-Tonner Leichtgewichte sind.
ÜBER DEN AUTOR
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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