Future
Berlin – 31. Mai 2019
Wer googelt, sieht schnell: Die Verkehrswende begeistert Politik wie Medien intensiv. Doch der konsequente Weg zur klimafreundlichen Mobilität ist bedroht vom Diktat der leeren Kassen.
Elektroroller als schicke Lösung für die „letzte Meile” zwischen Haustür und Haltestelle. Mit On-Demand-Angeboten bequem fahren wie im Taxi, aber preiswerter. ÖPNV für einen Euro am Tag – und dann noch der Deutschlandtakt der Eisenbahn überall und immer: Die allgegenwärtigen Verkehrswende-Euphorien in Politik und Medien vereinen sich mitunter zum Wunschkonzert. Nach der deutlich gesunkenen Schätzung der Steuereinnahmen für den Bund aber predigt Finanzminister Olaf Scholz „Haushaltsdisziplin”– also ist Sparen angesagt. Das könnte fatal sein für die tatsächlich notwendigen Maßnahmen für eine Verkehrswende: Kapazitätsausbau, Neubau und Grunderneuerung des ÖPNV und der Eisenbahn. Die politischen Aussagen zu Visionen einer neuen sauberen Mobilität lassen sich nur einlösen, wenn man bei der Finanzierung nicht bei eher halbherzigen Lösungen stehenbleibt, Haushaltsdisziplin hin oder her.
Weg ohne Alternative
Der Weg in die klimafreundliche Mobilität ist ohne Alternative. Wien macht es vor: Mit dem 365-Euro-Ticket fürs Jahr kostet die Mobilität pro Tag nur einen Euro. Das lockt die Kundschaft in Scharen in Busse und Bahnen, der Autoverkehr nimmt drastisch ab. Klar, dass ein solch attraktives Angebot auch für große und kleine Verkehrsnetze hierzulande immer wieder gefordert wird. Dabei wird übersehen: An der Donau hat man über Jahre den ÖPNV mit Milliardeninvestitionen fit gemacht. Bis heute fördert die Stadt Wien das dortige ÖPNV-Angebot mit jährlich 400 Millionen Euro. Erst Strecken bauen, mehr Fahrzeuge kaufen – das sind auch in Deutschland die Voraussetzungen, die zum Umsteigen vom Auto locken. Das betrifft neben dem ÖPNV genauso den Deutschlandtakt auf der Schiene: Den Ausbau von Netzen und Kapazitäten gibt es nicht zum Nulltarif. Also: ohne (langfristige und planbare) Investitionen keine Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor.
Neue Produkte in regulierten Märkten
Mit On-Demand-Shuttle unterwegs? Oder mit Sammeltaxis im neudeutsch so genannten „Ride Pooling”? Wenn der Mobilitätsmarkt die entsprechende Nachfrage stellt, warum nicht. Doch dieser Markt hat zurecht gewisse Schranken, denn er dient der Daseinsvorsorge. Das mag altmodisch klingen, doch wer auf das Auto aus Klimaschutz-Gründen verzichten soll, braucht flächendeckend gesicherte und planbare Mobilität. Und damit wird aus dem freien Markt ein regulierter: Für Rosinenpicker mit Schnäppchenpreisen ist kein Platz, denn sonst folgt allzu schnell die Kannibalisierung anderer Verkehrsdienstleistungen. Noch einmal: Nichts gegen private Anbieter, nur muss staatliche Regulierung auch künftig für ein vernünftiges Miteinander mit Bus, Bahn, Taxi und neuen Angeboten ermöglichen. Und dann noch der E-Roller: Wir sind gespannt, wie viele Pendler sich künftig tatsächlich mit Rucksack und zusammen geklapptem Roller im Arm in die zu Stoßzeiten ohnehin vollen Busse und Bahnen wagen. Und wohin mit dem Helm? Nichts gegen den E-Roller, er kann – zum Beispiel auch als Sharing-Angebot bei den Verkehrsunternehmen – eine weitere Mobilitätsalternative sein. Doch mehr als eine Ergänzung für die letzten Meter zur Haustür, zur Haltestelle oder als Sightseeing-Erleichterung für Städtetouristen wird er wohl kaum werden.
Über den Autor
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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