Position
Berlin – 28. Februar 2020
Schneller planen, schneller bauen, weniger Streit vor Gericht: So geht effizienter Infrastrukturausbau für die Verkehrswende. Davon ist Deutschland noch weit entfernt.
Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister, und sein politischer Gegenspieler Cem Özdemir (Grüne), Vorsitzender des Bundestags-Verkehrsausschusses, versprachen es kürzlich öffentlich mit Handschlag. Auf dem zweiten Mobilitätsgipfel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Initiative Deutschland mobil 2030 erklärten sie vor 250 Experten: Sie wollen künftig gemeinsam das komplexe Planungsrecht vereinfachen, um Verkehrsprojekte deutlich schneller zu realisieren. Mal sehen, wie lange das Verspechen im politischen Alltag hält. Mal sehen auch, ob die beiden Verkehrspolitiker genug Durchsetzungskraft haben, im Dickicht der bundesdeutschen Bedenkenträger tatsächlich etwas zu bewirken.
Mehr Tempo beim Brückenneubau
Immerhin, Anfänge sind gemacht. Das von Bundestag und Bundesrat kürzlich beschlossene Planungsbeschleunigungsgesetz soll künftig Planung und Bau so genannter Ersatzneubauten – in erster Linie Straßen- und Eisenbahnbrücken – vereinfachen, unter Verzicht auf langwierige Planfeststellungsverfahren. Mit einem weiteren Paragrafenwerk mit dem Namensungetüm „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz” möchte Scheuer zunächst als Pilotverfahren zwölf konkrete Projekte aus den Bereichen Schiene und Wasserstraße vorantreiben. Deren Realisierung soll – nach Bürgerbeteiligung und Umweltprüfungen – vom Bundestag in Gesetzesform beschlossen werden. Statt langjähriger gerichtlicher Instanzenzüge würde dieses Verfahren für den Rechtsschutz nur noch die Verfassungsbeschwerde vorsehen. Das erscheint aber plausibel und ausreichend, weil das Bauvorhaben das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat und von einer politischen Mehrheit im Parlament auf den Weg gebracht worden ist.
Öffentlicher Nutzen statt Prozesslawinen
Im Übrigen sind solche Einzelfallgesetze kein Neuland: Auf diese Weise wurde vor zwei Jahrzehnten die Umfahrung der Stadt Stendal im Zuge der ICE-Strecke Hannover - Berlin gebaut, nachzulesen in diesem Blog. Prinzipiell käme ein derartiges Verfahren einem Modell näher, wie es beispielsweise in Frankreich seit langem erfolgreich gehandhabt wird. Dort werden Verkehrsprojekte nach straffer, eng befristeter öffentlicher Anhörung und Umweltverträglichkeitsprüfung per Dekret zu Vorhaben von öffentlichem Nutzen erklärt, gegen die es dann keinen Rechtsweg mehr gibt. Allgemeinwohl also vor Partikularinteressen, volkswirtschaftliches Kalkül statt egomanischer Not-in-my-backyard-Auswüchse.
Dank dieses Verfahrens hat Frankreich in den letzten Jahren für die Verkehrswende in zahlreichen Städten hoch moderne Straßenbahnsysteme auf- und ausgebaut, mit hohem Tempo. Zum Beispiel die Trambahn-Linie 6 in Lyon: Anfang 2015 beschlossen, Anhörungen und Prüfungen 2015 und 2016, Ende 2016 zum Projekt von öffentlichem Nutzen erklärt, dann zwei Jahre Bauzeit der knapp sieben Kilometer langen Strecke, Eröffnung im November 2019, nach nicht einmal fünf Jahren. Davon können deutsche Kommunen und Verkehrsunternehmen nur träumen. Scheuer und Özdemir sollten da mal hinfahren.
Über den Autor
Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.
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